ich kann nicht. ich werde diese magisterarbeit nie, niemals schreiben. zusammen mit meinen unvollendeten hassprojekten über zwingli und frauen im antiken theater werde ich sie abgebrochen, unvollendet mit ins grab nehmen. eigentlich schade, denn das thema dieser magisterarbeit interessiert mich ausnahmsweise sehr, langweilt mich nie, sekundärliteraturqualitäts und -quantitäts-lage sind fantastisch, die minifeldforschung liegt abgeschlossen hinter mir. aber ich kann einfach nicht, niemals.
leute aggressiv machen, indem man, bevor sie zu besuch kommen, die wohnung extrem aufräumt und sich, wenn sie dann da sind, dafür entschuldigt, dass es etwas unordentlich ist. zusätzlich die ganze zeit an diesem und jenem herumziehen und "also hier siehts aus" murmeln.
das würde wahrscheinlich keinen meiner freunde wundern, wenn ich mich so verhielte. meine freunde wundern sich lieber über die unwunderungswürdigsten sachen überhaupt und sagen diesen satz, der mich wahnsinnig macht, nämlich: "ah, die neue mareike!"
hier, so:
was? du siehst fern?
ja, ich habe seit einer woche kabel.
ah, die neue mareike!
oder:
ja, ich gehe ins fitnesstudio.
fitnesstudio? wow! die neue mareike!
so als wäre ich jetzt plötzlich buddhistin oder hätte mich plötzlich dazu entschlossen, auf einem bauernhof in kevelaer zu leben. dabei habe ich nicht mal meine frisur verändert, ich gehe einfach nur in ein fitnesstudio, wie alle und wie ich selbst auch schon zuvor in meinem leben, crazy.
wirkliche veränderungen, charakterverändernde änderungen, für die man sich so richtig anstrengen muss, bemerkt niemals jemand. niemand hat bemerkt, dass ich 2005 nur drei mal gelogen habe und dass ich 2007 nicht mehr tratsche. nein, 2007 ist ja auch schon das jahr in dem ich plötzlich begann, fern zu sehen, ich verrücktes huhn.
ich wusste genau, dass es meine mutter wahnsinnig machen würde, wenn ich plötzlich stricken könnte. deshalb hab ich mir von meiner oma stricken beibringen lassen. es ist super kompliziert wie ich finde, es ist auch kein großer spaß, aber ich kann jedenfalls jetzt stricken und habe bereits ein rosa stück gestrickt und trage dieses strickstück mit mir im haus rum und meine mutter macht es wie gesagt wahnsinnig und sie ist total sauer dass ich jetzt stricken kann und sie nicht (sie ist nicht so der handarbeitstyp) und sie macht spitze bemerkungen. sie sagt,
stopfen könne ich nicht.
eine woche lütgendortmund-aufenthalt macht mich zum totalen kind. ich muss am anfang der woche festlegen, an welchen abenden ich mit meinen eltern essen werde (an allen außer am sonntag), ich kaufe vormittags brötchen, 2 roggen, 2 normale, um mit meinen eltern um 12 zu frühstücken, ich schaue mir mit denen jeden scheiß im fernsehen an, das einsame haus am see, das perfekte dinner, kerner, meine mutter war eine nazifrau (also jetzt nicht meine, sondern so ähnlich hieß gestern ein film im zdf mit thekla carola wied), ich trage keinen goldschmuck mit silberschmuck zusammen, denn das macht man nicht, ich bügel meine jeans und entfussel meine pullis mit einer fusselrolle, ich benutze einen extra löffel für lyle's golden syrup, damit keine butter ins lyle's-glas kommt, ich gehe mit meiner schwester ins frisch renovierte wunderschöne südbad schwimmen, ich lese einen sehr langweiligen krimi, ich höre mir einen 30minütigen vortrag meiner mutter über die verblüffende wirkung von schüssler-salzen an, ich gehe vor meinen eltern ins bett und ich besuche ständig meine oma.
der bringe ich eine große menge bananen mit, so viele bananen, das glaubt man gar nicht. "deine großmutter", brüllt meine mutter von oben runter ins erdgeschoss, in dem ich stehe, denn bei uns zu hause sagt man sachen nicht normal, man schreit sich durchs haus an, "frisst in der woche ein netz mandarinen, eine staude bananen, ein kilo weintrauben, 10 birnen und zwei 6er packs äpfel. zusätzlich 6 liter milch und 8 yoghurt (meine oma sagt
jochurt)."
auf dem weg zur senioren-residenz (ich darf auf keinen fall altersheim sagen) gehe ich den unendlich trostlosen
lütgendortmunder hellweg richtung A40 hoch und nehme die abkürzung ins dorf durch den
park der generationen. im dorf ist markt und der polizist, hier ein schutzmann, isst eine fischfrikadelle und unterhält sich mit zwei damen, die gleichzeitig versuchen, ein kleines kind abzuwimmeln -
maurice, geh ma nachm oppa! komm gezz, geh schön nachm oppa hin!
später nehme ich die s-bahn in die stadtmitte, mein schulweg, unter den zusteigenden jugendlichen versuche ich, den auszumachen, in den ich mich früher verliebt hätte, vermutlich den, der sich die ganze zeit in der fensterscheibe betrachtet und sich unheimlich super hübsch findet, furchtbar.
ich versinke für tage in diesem komische leben und sehe niemand anderen als meine schwester, meine oma und meine eltern.
gerade werde ich schrecklich müde und es ist ja auch eher ziemlich uninteressant, alles. zum ersten mal in dieser woche bin ich länger aufgeblieben als meine eltern und konnte so wenigstens einmal ihrem spott entrinnen.
entrinne dem spott. boah, ich bin so müde. das haus ist dunkel und leise, unheimlich wie immer, und der kühlschrank gurgelt komisch. ich geh jetzt schlafen.
in berlin wohnen und vor der berlinale abhauen ist glaub ich so wie in köln wohnen und vorm karneval flüchten. wenn man aus einer anderen stadt zur berlinale nach berlin kommt, findet man das ganze wahrscheinlich super, und wenn man aus berlin nach köln fährt und allerdings auch im hinterkopf hat, dass man morgen wieder weg ist, ist köln toll und karneval auch.
wenn ich wieder in berlin bin ist die ganze scheißfuckingkackberlinale endlichendlich vorbei, ganz und gar. die berlinale, die beschissene, prägt jedenfalls das berliner stadtbild mindestens genauso sehr, wie der karneval das kölner. noch einen vollidioten mit scheißberlinaletasche in mitte und ich hätte ihm diese hässliche kacktasche in die fresse gehauen, ehrlich. berlinaleberlinaleberlinale, gehst du auch in diesen dingensfilm da, der soll ja so toll -, und ja, vielleicht gibts ja auch noch karten, und alle arbeiten für hungerlöhne auf dieser behämmerten scheißglamourveranstaltung, und ist mir doch egal dass in cannes sich ja aber mal kein normaler mensch leisten könnte, zu den filmfestspielen zu gehen und in berlin auf der berlinale, da aber schon, das macht es alles echt auch nicht besser und die filme sind auch nur filme und die guten sieht man sowieso ein paar monate später ohne 38000 stunden anstehen und vollgestopftes kino mit schlechter luft und die anderen filme sind mir dann ehrlich gesagt auch egal.
also weg aus berlin und nach köln, wo alle leute seit tagen durchdrehen, und so schnell es geht ganz viel kölsch in sich reinschütten, und es ist alles sehr schön, und am fenster unterhält sich ein hühnchen mit einem napoleon, aber um halb 8 abends hat man bereits genug von dem ganzen unterfangen, und ich hielte es auch hier keinen tag länger aus, spätestens am dienstag würde ich jeden besoffenen mit halbzuen augen und ringelhemd und perrücke ankotzen, alleine schon aus dem grund, dass einem ganz schlecht wird von dem ganzen tagsüberkölschtrinken.
seltsamerweise lieben aber alle kölner die ich kenne den karneval sehr, auch noch nach 6 tagen, und - ich glaube - ausnahmslos alle berliner die ich kenne sind total wild auf die doofe berlinale. unbegreiflich.
wenn ich den wasserkocher nicht abschalte, bevor er sich selbst abschaltet, passiert was schlimmes. wenn ich es aber schaffe, ihn abzuschalten bevor er es selber tut, falle ich dabei hin vor hektik, stoße mir den kopf oder verstauche mir einen zeh. ich weiß nicht, was schlimmer ist - das nur auf einer vermutung, naja - eigentlich nur auf einer ziemlich vagen, irren, selbstgeschaffenen, abergläubischen
ahnung, basierende übel, das vielleicht ja gar nicht geschieht (man weiß es nicht, denn ich schaffe es immer, ihn rechtzeitig auszuschalten), oder das durch die eben
durch diese ahnung produzierte hektik tatsächlich passierende übel. man kann dem ganzen viel schreckliches nehmen, indem man einfach vor dem wasserkocher wartet und ihn ausschaltet, wenn das wasser so ganz doll kocht. hier ergibt sich allerdings die schwierigkeit des richtigen zeitpunktes - kocht das wasser jetzt wirklich schon so richtig? wenn man länger wartet, schaltet er sich vielleicht von selbst ab, und das wäre wirklich schlimm, denn man hat ja jetzt extra ein paar minuten vor dem wasserkocher herumgestanden, damit genau das nicht passiert. dieser doofe wasserkocher steht in der küche seit b letztens hier einzog, und setzt einen echt unnötigem stress aus, ich nehme jetzt nur noch meinen schönen alten
alessikessel, den ich bei meinem auszug vor 8 jahren von meinen eltern mitbekommen habe (das einzig okaye produkt der total bekloppten alessi-kollektion, aber auch nur, weil er mich an lütgendortmund erinnert). er hat einen vogel, den man auf den ausguss stecken kann und der pfeift, wenn das wasser kocht. das mache ich aber nie, weil etwas schlimmes passiert, wenn ich es nicht schaffe, den kessel von der flamme zu nehmen, bevor der vogel anfängt zu pfeifen.
eigentlich bin ich schon seit ein paar tagen wieder gesund. blut, schleim und wasser sind absorbiert und alles könnte wie immer sein. abgesehen davon, dass die schmerzen scheiße waren, war es ziemlich gut, ein paar tage lang einfach nur zu liegen und zu starren. und die 5. staffel sopranos in 2 tagen zu gucken. und die langeweile zu genießen, seltene langeweile ist so schön. und immer, wenn das telefon klingelt, geht man ran und denkt sich nicht wie sonst immer, boah nää, mit dem heute nicht. es macht nichts, denn man hat ja eh nichts zu tun. kann man ruhig auch mal ein bisschen telefonieren.
das ist jetzt vorbei, aber ich erweitere die angenehmen begleitumstände der krankheit mal um einen tag, sitze zu hause und bringe nichts zu stande, nicht mal, den esstisch abzuwischen, obwohl die katze darauf rumgelegen hat und ich bei sowas eigentlich eher nicht so open bin.
weil ich nichts machen will, weiß ich nicht, was ich machen soll und lese mails, die ich vor 2 jahren leuten aus new york geschrieben habe. huch, da war ich aber anders drauf! kein vergleich zu meinem jetzt-ich, das seit oh gott es sind jetzt echt schon 5 stunden am küchentisch sitzt. jetzt bring ich aber wenigstens mal die katze raus, die dumme nuss miaut schon ewig. 4 stockwerke runter, das ist es dann aber auch für heute. wenn mich ein nachbar sieht, slackerqueen, strähniges haar, tchibo-hellblaue-flanell-schlafanzughose, sag ich 'namt zu dem.
bildungsmesse in cottbus.
hinter den ständen der gmündner ersatzkasse, der telekom, der hotelfachschule dingens stehen eifrige und feingemachte aussteller in den t-shirts ihrer jeweiligen unternehmen und preisen an. vor den ständen: pickel, missmut, ungewaschene haare.
alle beißen sich ständig auf der unterlippe rum. erst dachte ich, das machten nur die unterlippengepiercten, aber es sind nicht nur die. alle. cottbus ist eine stadt, in der sich jeder ständigauf der unterlippe rumkaut. cottbus ist aber auch die stadt der gepiercten. magdeburg letztens war ja die stadt der zweifarbigen frisuren. hier sind die meisten ausbildungssuchenden extrem gepierct, überall im gesicht, und da, wo keine piercings sind, sieht man löcher, in denen mal piercings waren. piercings sind so...
okay! dumpfen, unattraktiven, exzessgepiercten, uninteressierten cottbuser jugendlichen eine ausbildung ans herz zu legen, von der ich absolut keine ahnung hab, ist mein wochenend-job:
gehetzte frau mit dumpfblickendem sohn im böhse-onkelz-fandress kommt vorbei,
- heiko. hier. wär das nicht was für dich? computer. dafür interessierste dich doch.
- hm.
heiko interessiert sich geht so, aber die verzweifelte mutter zwängt ihm eine broschüre auf. hier, nimm doch. heiko lehnt ab. beide stehen unschlüssig vor dem stand, hinter dem ich stehe, und ich sage, dass für die ausbildung, die wir hier anbieten, schon ein bisschen enthusiasmus von vorteil wäre. das sieht die mutter dann auch ein, das ist nicht so richtig was für ihren vollidiotensohn.
die leute fragen, wie denn so die schangsen auf dem arbeitsmarkt stehen, wenn man eine ausbildung an der von mir repräsentierten schule macht. sie sagen alle schangse, nicht schongs, und ich kann nicht in worte fassen, wie irre aggressiv mich das macht.
der backkunst-stand hat brandteigschwäne mit puddingfüllung gemacht, die beauty-school-mädchen haben sich extra für die messe alle ihren pony blondiert und geben proben ihres könnens, feilen den messebesuchern - potentielle beauty-school-anwärterinnen - die fingernägel, und in halle 3 werden vorträge gehalten - liebe besucherinnen und besucher, in kürze hören sie in halle 3 einen vortrag. thematik ist: für junge autoren ist der studienplatz ... das leben. ich verstehe die thematik nicht, aber ich bin zum glück ja auch kein junger autor.
zwei rührende opas mit jutebeuteln verwickeln mich in ein langes gespräch, in dem sie hauptsächlich artikulieren, dass sie es eine frechheit finden, wie der dieter bohlen mit den jungen leuten in der öffentlichkeit umgeht. das muss man sich nicht gefallen lassen.
"free your soul" steht auf der tasche von einer, die vorbeigeht, sie hat stachelige, dunkelrot gefärbte haare, - "befreie deine seele - dit fand ick irntwie jut" - kann man sich nicht so vorstellen, dass die sich das denkt.
aber auch wenn es jetzt vielleicht nicht so ganz rübergekommen ist, liebe ich diesen messejob. ist ein bisschen so wie urlaub, man wohnt in hotels und fährt in städte, die man sonst niemals besuchen würde, und während man da so hinter seinem messestand sitzt und sich nicht entscheiden kann, ob man die vorbeigehenden eher unsympathisch oder eher arm, auf jeden fall aber deprimierend, finden soll, kann man sich über alles mögliche gedanken machen, wozu man sonst nicht kommt. ich denke zum beispiel, dass ich die trennung von ck in kk nicht schön finde, und dass ich auch st nicht gerne trenne, obwohl man es jetzt darf, aber: "trenne nie st, denn es tut ihm weh." und dass ich massenumarmungen überhaupt nicht mag und das nächste mal, wenn ich auf eine party oder so komme, werde ich niemanden umarmen oder besser noch auf die wange küssen, und schon gar nicht 10 leute auf einmal, ich werde einfach nur hallo sagen, so in den raum. ich weiß sowieso nicht was diese ganzen blöden umarmungen eigentlich immer sollen.
wenn ich mir unter der dusche die haare wasche, verläuft das selten ohne psychoeinbildungen, in die ich mich so sehr reinsteigere, dass ich die augen aufreißen muss während mir schaumströhme über das gesicht und in die augen laufen. es brennt und die sicht auf das, was ich da erwarte, ist nur bedingt frei. eine mischung aus panik, schaum, augenbrennen und unklarheit. jemand ist ins badezimmer gekommen um mich zu ermorden, auf mich einzustechen, er oder sie hat den augenblick des durchs schaumabspülen bedingten augenzumachens, diese paar sekunden, genau abgepasst und tut es jetzt. ich sterbe wenn ich jetzt nicht hinschaue, weil durchs hinschauen ist alles gebannt und nichts passiert. völlig klar.
heute gabs eine harmlosere, aber ganz schön ekelige variante: ich hatte das gefühl, eine riesige kakerlake kröche den abfluss unter mir hoch, krabbele über meine schaumigen füße, mit den langen fühlern suchend vor sich hin tastend. von würgeschauern geschüttelt reiße ich die augen auf, es brennt, keine kakerlake, ein glück.
dass ich aber überhaupt mit kakerlaken rechne hat einen guten grund, in deutschland gibt es die ja gar nicht in dem von mir fantasierten ausmaß. aber in new york. und es gibt apartments mit heizungen, die "vom haus kontrolliert" werden und pausenlos an sind, obwohl es draußen herbstlich mild ist, so dass man es in der wohnung mit 35 grad immer sehr schön warm hat und ständig alle fenster geöffnet sein müssen, um das ganze irgendwie erträglich zu gestalten.
was es hier aber sonst noch so gibt, ist ausschließlich super, und es ist der schönste ort der welt und ich krieg mich kaum ein vor freude darüber, hier zu sein.
wow, lohnt sich ja richtig, hier ab und zu doch mal draufzugucken! ich habe als weihnachtsgeschenk von einer großen künstlerin einen neuen header bekommen! juhu! danke!