boah, ein glück dass
tv-links wieder funktioniert. ich dachte schon, der tag wäre hin. er ist aber eigentlich ganz gut - diesiger himmel, im hintergrund verhangenes kinderschreien, auf dem balkon blühen kornblumen, ganz plötzlich. und: ich habe endlich meinen hassvogel gefunden - die elster. julysses verabscheut schwäne, weil sie unter anderem deren hälse vulgär findet, cherri ekelt sich vor tauben, und ich hasse jetzt also elstern, deren geschrei macht mich wahnsinnig, echt. die katze hasst die elstern auch und möchte sie töten, soweit gehts bei mir nicht, ich will nur dass sie die fresse halten, die blöden.
sonntagsanruf in der seniorenresidenz:
oma, ich hab hier ein altes bild gefunden von dir, da sitzt du so an einem fliegenpilztisch und sprichst zu einem zwerg...
ach! ja! da bin ich in den urlaub gefahren, nach bacharach. bacharach am rhein! da gab es so einen märchenpark, mit allen märchen die man so kennt. das war wunderschön!
mit wem warst du denn da?
alleine!
alleine?
ja. ich hatte damals ja immer nur sehr wenig urlaub. und da bin ich für ein paar tage nach bacharach in so eine kleine pension gefahren und habe mir jeden tag etwas anderes angeschaut.
aber jemand muss doch das foto von dir und dem zwerg gemacht haben?
ich hatte eine kamera mit selbstauslöser.
ach so. ich finde, ich sehe dir ziemlich ähnlich auf dem foto.
ja, das kann sein.
meine rührende oma anna fährt also im alter von 21 jahren nach bacharach am rhein, denkt sich ach, heute mal zum märchenpark, sieht dort einen zwerg auf einem fliegenpilzstuhl an einem fliegenpilztisch sitzen und findet, das wär doch ein lustiges foto. installiert, aufwändig wie das damals bestimmt noch war, den apparat und setzt sich in szene. dafür, dass sie sich dachte, dass das ein lustiges foto wäre, guckt sie ziemlich ernst, fast ein bisschen traurig, und der zwerg nimmt auch keine notiz von ihr, er liest gerade.
dieses bild bricht mir echt das herz, meine oma, in einem mantel, allein im märchenpark, noch keine ahnung davon, dass sie einmal vier kinder haben wird, dass sich ihr mann, den sie damals vermutlich noch nicht kannte, denn sonst wäre sie wohl mit ihm hingefahren, umbringen wird, dass sie in 70 jahren in der seniorenresidenz am volksgarten in lütgendortmund sitzen und beim bingo eine flasche rotwein gewinnen wird.
meine andere oma, die schon tot ist, war total anders drauf. sie fuhr mehrmals im jahr ins kleinwalsertal, ohne mann und kind, und hatte da den spaß ihres lebens. ihre urlaubsbilder zeigen sie auf tischen tanzend, mit luftschlangen um den hals, sektflasche in der hand, rauchend, schnaps prostend, 1000 verschiedene männer. kein selbstauslöser. geschichten zufolge schrieb sie, wenn ihr das geld ausging, nach hause: abgebrannt! bitte geld schicken! - den brief an den rändern angekokelt und einen abgebrannten streichholz im umschlag, was sie anscheinend für einen irren scherz hielt. mein opa schickte ihr dann ein paar hundert mark und sie konnte noch eine woche länger party machen.
meine mutter sagt oft missbilligend, dass meine schwester und ich genauso seien wie ihre mutter.
immer wieder schön, in berlin auf die herzlichkeit der heimat zu stoßen. mein frauenarzt hier ist dortmunder, zufällig sogar lütgendortmunder, und versäumt nie, zum abschied ein paar sentimentale worte über dortmund zu verlieren, jeder aufenthalt in seiner praxis endet mit dem satz "grüßen sie die heimat!". heute musste ich zum allgemeinarzt. ich gehe eigentlich nie zu allgemeinärzten, denn die sind in meinem arzt-elternhaus als gefährliche stümper verschrien. immer gleich zum spezialisten, das wurde mir schon im kindesalter eingeschärft und mit einer ausnahme, die natürlich eine negative erfahrung war, hab ich mich auch dran gehalten. heute ging es aber nur um eine impfung gegen frühsommer-meningoenzephalitis, und sowas können zur not auch allgemeinärzte ausführen.
der arzthelfer liest meine versicherungskartendaten und ruft erfreut: aus dortmund kommen sie! ich bin in huckarde geboren! die ärztin auch! sie ist meine schwester!
ich freue mich und wir haben gleich eine dortmund-verbindung. kurz diskutieren wir das erscheinungsbild der dortmunder innenstadt, das sich in den letzten jahren ja doch ganz schön verändert hat.
dann kommen wir zu meinem problem, die privatversicherung. als privatversicherter patient muss man sich superpraktischerweise den scheißimpfstoff nämlich selber kaufen und ihn - gekühlt! - zum arzt tragen, sowas bescheuertes. gesetzliche versicherungen kaufen den ärzten den impfstoff, damit sich deren patienten schön bequem impfen lassen können. irgendwie sind private krankenversicherungen so wie macs, alles ganz nett und man zahlt tierisch viel und sicherlich gibts 1000 vorteile, aber manchmal ist es einfach nur kompliziert und unbequem und man muss erst das machen bevor man dann das machen kann und letztendlich bekommt man dann das dafür und ist aber vielleicht schon längst tot!
es gibt gerüchte, sagt der arzthelfer in ziemlich verschwörerischem ton, dass man den impfstoff nirgendwo mehr bekommen kann. die apotheken sind ausverkauft und die hersteller kommen mit der produktion nicht nach, weil alle welt plötzlich zeckenpanik hat und sich impfen lassen will. ich mache mich auf die suche nach dem impfstoff durch alle friedrichshainer apotheken, aber der arzthelfer hat recht, überall nur mitleidige blicke, also, wenn ich zeckenzeug bekommen will, dann hab ich echt pech gehabt.
draußen ist irgendwie plötzlich sturm und ich werde nass und gehe nach hause und überlege, die ganze impfung einfach zu lassen, ich denke sowieso seit einer woche über die nebenwirkungen nach und die können verheerend sein, und während ich das hier schreibe, tut mein arm auch schon weh und meine linke schläfe ist total heiß, damit hab ich den schluss dieser spannenden story schon vorweggenommen, ich bin geimpft!
denn: zuhause ruf ich den arzthelfer an, erklär ihm meine lage, und, um endlich zum punkt zu kommen, der meine anfangsthese von der herzlichkeit der dortmunder in der fremde untermauern soll, der sagt so, wissen sie was, wir spritzen ihnen einfach den impfstoff, den wir hier von den gesetzlichen krankenkassen haben, und sie kaufen uns den irgendwann, wenn es ihn wieder gibt, nach.
das ist aber sehr nett, sage ich, als ich später in der anmeldung der allgemeinarztpraxis stehe. soll ich ihnen das jetzt irgendwo unterschreiben oder so? nö, sagt der dortmunder, ich vertraue ihnen,- es gibt nur eine schlechte nachricht: sie bekommen unseren letzten impfstoff und wir haben dann leider erstmal nichts mehr für ihren lebenspartner.
mein lebenspartner ist gerade mit anderen problemen beschäftigt und findet die nachricht nicht so schlimm. ich aber fahre nach bayern und bin ziemlich zeckenpanik-empfänglich und hätte mich auch impfen lassen, wenn ich nicht nach bayern führe, mir doch egal dass die zeckenpanik eine hinterhältige, aber sehr erfolgreiche pharmaindustriekampagne ist, wie mir das allgemeinarztgeschwisterpaar versichert. ich habe den letzten impfstoff bekommen! weil ich aus dortmund komme! aber jetzt wird mir gerade ganz schwach.
"ich hab ja ein generelles problem mit von anderen leuten zubereiteten speisen. stell mir einfach eine dose ravioli hin, die mach ich mir dann auf."
boah, super, wie es sich so langsam und brauend zusammenzieht draußen, das ist das allerbeste maiwetter, grauer himmel und grünste bäume, auf dem höhepunkt ihres grünseins, und gleich kommt der regen. ich muss dann immer an meine schulzeit denken, da war der mai immer so, und die bäume auf dem schulhof so grün, ein ziemlich begrünter schulhof war das, und der himmel so graublau, und ich war irre verliebt in sebastian h., der, für schulverhältnisse, viel älter war als ich und mich nicht kannte. ich kannte ihn auch nicht, aber ich stellte mir vor, dass er der coolste mensch der welt sein müsste, er hatte dreadlocks und war kaum größer als ich. unter meiner schulbank, die ich mit meinem namen vollgemalt hatte, ziemlich dämlich eigentlich, denn das darf man ja gar nicht, und mein name gab ja doch eindeutige hinweise, ich wurde allerdings nie bestraft dafür, etwa mit schulbank-schrubb-nachmittagen, unter der bank jedenfalls lag mal ein zettel mit einer nachricht von ihm an mich, die ich sofort als gemeinen plan meiner freundinnen - oder feindinnen, mit 15 änderte sich das irgendwie alle paar tage - abtat. jahre später, auf einem dieser bescheuerten ehemaligen-feste meiner schule, bekam ich die erste gelegenheit meines lebens, mit sebastian h. zu sprechen. er hatte keine dreadlocks mehr und war auch sonst überhaupt kein bisschen cool, und schon gar nicht der coolste mensch der welt, und ich glaube, mittlerweile war er sogar kleiner als ich, und er sagte mir an diesem betrunkenen abend, dass die nachricht unter meinem tisch, denn warum eigentlich bank, es ist gar keine bank, es ist ein tisch, schultisch, damals tatsächlich von ihm stammte, dass er sehr enttäuscht über meine ausbleibende reaktion gewesen sei und mich von da an für arrogant gehalten hatte, ganz schön tragisch eigentlich!
unglaubliche story, wirklich, die mir heute auf dem spielplatz passiert ist. die kinder, mit denen ich wie jede woche ein paar stunden verbringe, sammeln ameisen in raketenhüllenähnlichen plastikdingern und bringen sie in den sandkasten, wo sie dann mit ihnen wüste spielen. ich muss nicht großartig aufpassen, ameisen einsammeln ist ungefährlich, das ist nichts im vergleich zum sonstigen halsbrecherischen bäumeklettern, ein wenig sorge machen mir nur die vogelbeeren, aber man hat ihnen deren giftigkeit bereits sehr erfolgreich eingetrichtert - die sind giftig, sehr sehr giftig, die darfst du auf gar keinen fall in den mund nehmen oder so, herrsche ich das vogelbeeren sammelnde kind nämlich besorgt an und das reagiert aber nur genervt und sagt oh mann, das weiß ich doch. ach so. wer kommt überhaupt bitte auf die idee, einen spielplatz mit vogelbeerbäumen einzufassen, das ist total bescheuert (gerade habe ich allerdings gelesen, die sind gar nicht giftig, sondern gesund - man weiß es nicht).
ich sitze in der sonne und lese und nehme ein bisschen wahr, wie eine frau den spielplatz verlässt. die frau ist komisch. sie hat kein kind. was macht sie dann auf dem spielplatz? wär es jetzt sehr gestört von mir, mal kurz in meine tasche zu schauen? vielleicht hat sie mir was geklaut? ich schaue in meine tasche und die blöde kuh hat mir wirklich was geklaut, nämlich mein portemonnaie (was für ein irre doofes wort, ich will da immer noch "se" dranhängen, dann hört es sich noch behämmerter an. aber geldbeutel ist keine alternative, vor allem weil es ja auch irgendwie gar kein beutel ist.).
unter schauern des entsetzens rase ich los, den kindern irgendwas zuschreiend, renne der komischen frau hinterher, die ist schon flugs um die ecke gebogen und ich sehe sie nirgends. ich komme mir vor wie in einem blöden verfolgungsfilm und höre ein geräusch hinter einer tür. die diebin hat sich in ein haus geflüchtet! ich werfe mich mit totaler wucht gegen die tür, die nur ein stückchen aufgeht, und schreie du blöde scheißkuh, gib mir mein portemonnaie wieder. ich denke dabei die ganze zeit, ach du lieber himmel, sowas ist mir ja noch nie passiert, und was mache ich denn jetzt, ich habe sie gefangen, aber was nun?? sie hat sich im haus verbarrikadiert und die tür bricht bald auseinander, weil ich mich wie irre dagegen werfe.
letztendlich macht sie auf und tritt mir gelassen entgegen. eine sekunde scannen, sie sieht so fertig aus. was willst du? fragt sie mich. ich ärgere mich darüber, mich mit ihr zu duzen, ich möchte diese gestörte person nicht duzen, ich möchte auch nicht, dass sie mich duzt. für sie immer noch sie! aber ich habe ja sogar mit dem duzen angefangen als ich sie du blöde scheißkuh nannte. sie sagt, sie wohnt hier in dem haus. sie macht die tür immer zu wenn sie nach hause kommt. sie hat nichts von mir. ob ich sie in ruhe lassen könnte, bitte.
klar, komische frau, du wohnst hier, mhm, guck dich doch mal an - ausgebeulter grauer jogginganzug der sich überall pillt (wie man das ja nennt), viel zu große daunenjacke, die niemand der sie noch alle hat bei 20 grad und sonne tragen würde, strähnige haare und seltsame joggingschuhe, also irgendwie siehst du ehrlich gesagt nicht so aus wie die im bioladen einkaufenden mütter von emelie und jakob und wie sie alle heißen, die hier sonst so wohnen.
äußerlich verliere ich vor allem die fassung und zappel hysterisch rum und wiederhole, dass sie mir das nicht antun kann und so und sie sagt, ich soll sie doch durchsuchen. oh gott jetzt muss ich sie auch noch durchsuchen, ich fasse tatsächlich in ihre taschen und greife in ussel-taschentücher und drehe durch und mir wird schlecht und ich fange glaube ich an zu heulen, was soll ich nur machen, die leute auf der straße gucken betreten und mit einer "hm!"-miene, ich hoffe dass sie mir helfen und ich nicht mehr alleine mit dieser situation dealen muss, aber sie helfen mir nicht, warum sollten sie auch, und was könnten sie schon ausrichten, und langsam komme ich mir schon total verrückt und durchgedreht vor, vielleicht ist sie ja unschuldig, und überhaupt sind die kinder alleine mit den giftigen beeren und den hohen bäumen und ich könnte diese frau ankotzen und in diesem zustand vergehen irgendwie minuten, aber plötzlich guckt sie mich mitfühlend an, ich muss extrem desperated wirken und bin es ja auch, sie guckt mich an und sagt, okay, ich habe es wirklich genommen. ich habe es in einen mülleimer im hausflur geworfen.
im hausflur, im mülleimer, liegt es dann wirklich, und alles ist noch da, oh gott danke bricht es erleichtert aus mir heraus und zu allem überfluss umarme ich diese frau auch noch plötzlich. sie tut mir so leid. sie sieht so fertig aus. wir gehen gemeinsam zum spielplatz zurück und sie erzählt mir eine wirre geschichte und sagt, dass ich verständnis für sie haben soll, und ich sage ja, und dass es ja auch ganz schön blöd von mir war, nicht auf meine tasche zu achten. ja, aber echt! sagt sie, und ich bedanke mich gestörterweise nochmal.
seltsame atmo dann auf dem spielplatz. die kinder haben gar nicht gemerkt dass ich weg war, die sammeln immer noch arme ameisen. die leute auf der straße, auf den balkonen, die alles mitbekommen haben, das ganze geschreie und geheule und gegen die tür gewerfe und so, gucken, und wundern sich vermutlich darüber, dass wir da jetzt so einträchtig nebeneinander hergehen. ich wunder mich echt auch.
die kinder und ich gehen hoch in die wohnung, die frau bleibt auf dem spielplatz sitzen. ich bin kurz davor, ihr tschüss zu sagen, aber so weit geht es dann doch nicht.
kritisiere nicht und du wirst sofort intuitiv steht auf dem teebeutelband-zettelchen meines yogitees lemon-mint. ich verstehe den yogitee-lebensrat nicht. kritisiere nicht, ok. dafür wirst du dann auch mit sofortiger wirkung intuitiv, für immer, oder zumindest solange, bis du wieder kritisierst.
als grundlegende menschliche kompetenz verstanden, ist intuition die zentrale fähigkeit zur informationsverarbeitung und zur angemessenen reaktion bei großer komplexität der zu verarbeitenden daten. wie hängen denn überhaupt kritik und intuition zusammen? warum bekomme ich die grundlegende menschliche kompetenz nur, wenn ich nicht kritisiere? was, wenn ich ohnehin schon ein sehr intuitiver mensch bin, werde ich dann noch viel intuitiver, mega-intuitiv, wenn ich nicht kritisiere? wie kann man überhaupt nicht kritisieren, nie, kein kleinstes bisschen, das geht gar nicht. der yogitee überfordert mich heute morgen, außerdem ist lemon-mint absolut ekelhaft, schmeckt nach soyasaucenseifenlauge, trotzdem bin ich ganz kurz davor, in der hoffnung auf einen leichteren teeratschlag für diesen tag ("meditiere") noch einen zu trinken. ich darf die yogitee-adviser-zettelchen nicht immer so ernst nehmen, aber ich kann irgendwie nicht aufhören zu denken, dass ich ein besserer mensch werde, wenn ich nur diese ratschläge immer befolge.
auf dem schulhof sitzt wieder der dicke mann. am wochenende, wenn keine kinder da sind, setzt sich früh morgens der dicke mann auf eine bank auf dem schulhof hinter meinem haus. in einem trainingszug, einsam und rauchend. was denkt er sich? ach, karfreitag heute, ich setz mich mal für ein paar stunden auf den schulhof. stundenlang sitzt er da. tristesseblick aus meinem badezimmerfenster im vierten stock: ausgestorbener schulhof, grauer himmel, kämpfende elstern, langsam grün werdende bäume und auf einer bank der dicke mann, bewegungslos. als müsste das so sein, ein notwendiger kontrast zu dem lauten grundschulkindergewusel an den wochentagen. in der woche kinder - am wochenende der traurige dicke mann. vielleicht ist er ja gar nicht traurig. ihm muss aber kalt sein, in seinem dünnen trainingsanzug. was denkt er sich, was denkt er in den stunden, die er da einsam auf dem schulhof sitzt? wie kommt er überhaupt auf den schulhof? mittags, abends sind da immer kinder und jugendliche, die über den zaun des abgesperrten geländes klettern - aber der dicke mann? vielleicht ist er der hausmeister. wahrscheinlich ist er der hausmeister.
alle leute immer schon so seit jaaaaaahren, ach, sauna ist so toll. saunen ist so toll. das ist überhaupt das allerschönste. so entspannend. hach, saunen.
instinktiv wusste ich immer schon, dass saunen nichts für mich ist. eine sauna-begegnung als kind in einem hotel, bei der ich aus neugier kurz die saunatür öffnete und wegen des hitzeschwalls sofort wieder schloss, verankerte dieses gefühl tief. aber dann alle immer so, nee, also saunen ist ganz toll, und du warst ja noch nie in der sauna und das ist überhaut irre entspannend.
langsam hatte es sich bei mir selbst schon ein bisschen festgesetzt, dass ich jetzt auch mal in die sauna gehen muss und das vielleicht sogar auch irgendwie gut finde. im fitnesstudio dachte ich heute also, ach, da gibt es hier schonmal drei verschiedene saunasorten, und saunen soll ja auch so toll sein und so gesund und so entspannend, und diese biosauna hier, die ist ja auch eine schon-sauna oder relax-sauna oder soft-sauna oder wie die auch immer heißt im fitnesstudiojargon, und da kann ich eigentlich ruhig mal ausprobieren, wie es so ist, saunen. alleine hätte ich mich nieniemals in die sauna getraut, aus verschiedenen gründen, aber ich war mit b. im fitnesstudio (was kann man nur sagen, um dieses ständige wort zu umgehen? sportzentrum? gym? ich weiß es nicht!), und also gut: sauna.
erstmal die unglaublich unendlichen regeln für saunagänger durchlesen, damit ich bloß nichts falsch mache, ich finde es alles irre kompliziert, ehrlich gesagt: das darf man nicht, und so muss man sich hinsetzen, und man darf auf gar keinen fall, niemals!, während eines aufgusses die sauna verlassen, wie merkt man überhaupt dass man sich gerade in dem moment während eines aufgusses befindet?, es sei denn, einem ist schlecht. und man geht da also echt nackt rein, ja? und alle sind da nackt? naja.
die sauna ist so klein wie das gästeklo meiner eltern, von dem immer schon gesagt wurde, es sei, selbst für eine person, viel zu klein. sofort schlägt einem das entgegen, was ich als allerunangenehmste von den vielen unangenehmheiten eines saunabesuchs auswähle: ernsthaftigkeit.
alle sind ganz unglaublich - und auch unvermutet! - ernsthaft, ernsthafter als bei einer stillen andacht, ernsthafter als bei so ziemlich allen ernsthaften dingen, die man sich vorstellen kann. die leute starren mich an, sehr, sehr ernst, dabei wurde mir doch vorher von den ganzen saunafans versichert, das würde nicht geschehen, auf gar keinen fall, die wären da alle viel zu sehr mit der hitze und so beschäftigt.
ja, die saunierer sind mit der hitze beschäftigt, ernsthaft mit der hitze beschäftigt, aber trotzdem gucken sie mich an und ich mache anscheinend irgendwas falsch, aber ich weiß nicht was, und ich habe mir doch auch extra die saunagebotslitanei durchgelesen und bin nackt und ohne flipflops und habe ein handtuch mit, das so groß ist wie mein körper, und berühre nicht die holzbänke mit meiner haut, und trotzdem, irgendwas mache ich falsch, zumindest geben die saunerer mir das gefühl, die doofen.
ich tue unbekümmert und so, als wäre ich bewandert auf dem gebiet des saunens und ignoriere die blicke und versuche, auch die anwesenheit zu ignorieren, was schwer fällt in dem winzigen räumchen. alle sitzen und schwitzen und stöhnen leise und es sieht gar nicht so aus als mache das hier irgendwem irgendwie auch nur ein kleines bisschen spaß. ich muss etwas lachen, aber bald hat mich die saunaernsthaftigkeit, ich verschränke die arme über der brust, mir fällt keine andere pose ein, und liege so, das gesicht missmutig verzogen, sauertöpfisch da. ich frage mich, wie lange ich noch ausharren muss in dieser scheißsauna mit diesen superunsympathischen saunerern, wann die entspannung eintritt, wann ich endlich anfange, zu schwitzen, denn schwitzen ist gut, alle sagen, schwitzen ist gut, es wird wohl was dran sein.
ich schwitze nicht, nur das chlor vom schwimmengehen vorher zieht immer tiefer und krebserregender in meine haut ein, juckend. die anderen schwitzen, aber die liegen auch oben. ich liege unten. oben, hat das saunagebotsblatt in einem extra absatz mit der überschrift wissenswert erklärt, ist es heiß. unten nicht so, es ist aber stickig, luftnehmend, nichtauszuhaltend unangenehm, jetzt mal die unsympathische sauna-atmo beiseite gelassen.
halte aus! man muss leiden, um zu etwas gutem zu kommen. wie beim sport - nach 10 minuten schwimmen könnte man eigentlich auch schon wieder ganz gut aufhören, aber man muss noch 30 minuten weiter schwimmen, und also leiden (weil es nämlich total langweilig ist), und dann bekommt man aber auch irgendwann was dafür. bei der sauna, geht mir plötzlich auf, bekommt man gar nichts. da ist der weg das ziel, saunen um des saunens willen, die leute saunen, weil sie es so super finden, wirklich super finden, sie finden das schön und entspannend und weisichnichtwas alles, sie leiden nicht, und sie bekommen aber auch nichts.
die fitnesstudio-reinigungskraft säubert die gläserne saunatür und muss sie zu diesem zweck kurz öffnen. ein erfrischender luftschwall kommt in die sauna und lässt mich atmen und daran denken, dass es draußen, vor der sauna, gut ist, hier, in der sauna, aber schlecht, und was mache ich eigentlich in dieser bescheuerten scheißsauna! ich wusste doch, dass saunen nichts für mich ist, warum...?
das licht wechselt, denn die bio-relax-sauna ist auch eine wechsel-licht-sauna, und plötzlich ist es schreiend neonröhrenhell. ich schaue zu b. hoch, unmutiger geht es kaum, er soll bitte bemerken dass ich diese und alle anderen saunen der welt hasse und hier raus möchte, schnell, aber er hat auch eine denkende, ernsthafte saunapose eingenommen und bemerkt meinen saunaunmut überhaupt nicht.
ein weiteres mal öffnet die reinigungskraft die glastür, die saunerer gucken sauer, ein weiteres mal atme ich luft, und jetzt reichts aber, raus hier aus dieser sauna, dieser furchtbaren sauna, dieser unerträglich beschissenen sauna!
was muss man denn tun, wenn man aus der sauna kommt? das hatte auch in der sauna-gebots-abhandlung gestanden, aber ich erinnere mich nicht mehr. kalte dusche? lauwarmes fußbad? irgendwie sowas. kalte dusche. die dusche ist so kalt, so eine kälte habe ich noch nie in meinem leben gespürt, ich kann mich da nicht drunter stellen, nein, das geht auf keinen fall! ich halte einen arm und einen fuß unter den eisstrahl, mir ist total schlecht, ich will nach hause, und nie wieder saunen, und ich habe so einen hass auf diese sauna und diese saunerer und alle, die ständig davon sprechen wie überhaupt irre super das scheißsaunen ist, dass ich irgendwas sagen muss und ich sage scheiße.
zu hause rufe ich meine mutter an und sage: also, ich war ja heute in der sauna. was? schreit meine mutter. warum denn das? das ist doch entsetzlich! - ja ich weiß, aber ich dachte, - alle immer so, saunen ist toll und entspannend und so, und alle lieben doch saunen. das ist ja gerade das schreckliche! kreischt meine mutter aufgebracht. eine halbe stunde lang sind meine mutter und ich, sonst öfter auch mal uneins, vereint im saunahass. hass auf die leute, die gerne saunen, vor allem aber auf die leute, die einem sagen, das sei gesund, denn das ist völliger unsinn. gesund, so ein scheiß, was soll denn daran gesund sein.
leute, die in die sauna gehen, haben einen knall, sagt meine mutter abschließend und geht dazu über, mir zu erzählen, was sie sonst noch so alles hasst.
jetzt ist die zeit der rosensträuße vorbei, frauen mit geschmack freuen sich über rotklee und hibiskus. und ein mann, der so ein geschenk macht, ist ein vergissmeinnicht."
(
vöslauer balance. die spinnen anscheinend, aber ich habe seit jahren das gefühl, dieses reizvoll seltsam schmeckende getränk regeneriert mich.)